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Freitag, 5. August 2016

Naturschutzgebiet Rheindelta: Bauverbot seit 1942

Am 1. September 1942 verlautbarte das Verordnungs- und Amtsblatt für den Reichsgau Tirol u. Vorarlberg die Ausrufung des ersten Naturschutzgebietes Vorarlberg. 

§ 2. "Das sichergestellte Naturschutzgebiet umfaßt einschließlich der in Schutz genommenen Wasserflächen des Bodensees ein Gebiet von 14 km² in der Gemeinde Rheinau* , und zwar alle Grundparzellen, welche nördlich der nachstehend beschriebenen Grenze gelegen sind, insofern dieselben nicht die Wasserflächen des Bodensees betreffen, sowie diese Wasserfläche bis zu einer Entfernung von 1 km vom Seeufer.
Die Grenze verläuft längs des geplanten Polderdammes, bzw. der Reichsstraße Nr. 12. […]"


*Rheinau: historische Gemeinde 1938–46, umfasste Fußach, Gaißau, Höchst

nsg-rheinau-1942Ungefährer Verlauf des Naturschutzgebietes Rheinau 1942 anhand eines Luftbilds aus den 1930ern

Schon damals galt für alle Vorarlberger und Tiroler Seen die sog. Seeuferschutzverordnung, die 1949 in die Vorarlberger Landesgesetzgebung aufgenommen wurde:

„Innerhalb dieses Gebietes ist es verboten, das Landschaftsbild zu verändern, neue Entwässerungsanlagen, Badehütten und Weganlagen zu errichten, landwirtschaftliche Nutzung einschließlich des Rohrschnittes und der Viehweide in einem größeren als dem bisherigen Umfange auszuüben und Holzschlägerungen (außer im Rheinholz) durchzuführen.“
Hütten 1950er
Auf einem Luftbild des Areals aus den 1950er-Jahren sehen wir etwa auf den Flächen des heutigen Salzmann Restaurants und Kiosk zwei kleine Holzhütten außerhalb der Schutzzone. 

Ein Luftbild aus den 1950ern zeigt das Uferglände noch unberührt. Das bedeutet, dass die gesamte Hafenanlage nach 1950 angelegt wurde, und somit gegen bereits geltende Verbote verstieß. 
Der Nutzungsdruck in der Region stieg nach dem Krieg rasant. Um weitere Baumaßnahmen endgültig abzustellen, beschloss die Landesregierung 1957, im Rheindelta keine weiteren Ausnahmegenehmigungen mehr zu erteilen.

Dennoch erfolgte am Rohrspitz durch die Errichtung einer Hafenanlage ein massiver Eingriff in das Naturschutzgebiet. In den 1970ern verfügt die Familie Salzmann bereits über eine stattliche Hafenanlage mit Camping. An die Stelle der zwei Hütten trat landseitig des Polderdammes ein seit 1965 konzessioniertes "Campingrestaurant".
Rohrspitz 1970er
Ein Bild aus den 1970ern zeigt den massiven Eingriff in das geschützte Ufer. Landseitig des Polderdamms ist ein Campingplatz mit Restaurant entstanden.

1976 trat die Verordnung über das Naturschutzgebiet Rheindelta in Kraft. Nunmehr liegt auch das Gebiet landseitig des Polderdammes im Naturschutzgebiet. 
Gem. §4 Abs (1) ist es verboten: 

"a) Anlagen wie Gebäude, Sport- und Freizeiteinrichtungen, Straßen und Wege, Autoabstellplätze, Ankündigungen und Werbeanlagen, Freileitungen oder Einfriedungen, ausgenommen ortsübliche Weidezäune, zu errichten oder zu ändern,
b) Materialien zu lagern oder abzulagern, ausgenommen kurzfristige Lagerungen im Zuge der Nutzung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke, Bodenbestandteile wegzunehmen oder sonst Geländeveränderungen vorzunehmen."


Abs (2) besagt: "Rechtmäßig bestehende Anlagen dürfen, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist, dem bewilligten Verwendungszweck entsprechend benützt oder betrieben und instandgehalten werden."

Dessen ungeachtet baut die Familie Salzmann 1977/78 ihr neues, wesentlich größeres Restaurant. Sämtliche Konzessionen, auch die für den Betrieb des Kiosk, gehen auf den Neubau über. 
Es ist davon auszugehen, dass schon hier eine Ausnahmegenehmigung im Sinne einer "Instandhaltung" des alten Kiosk erteilt wurde – einer "Instandhaltung" mit erheblicher Ausweitung, die notwendigerweise den Abriss des alten Kiosk verlangt hätte. Dieser Abriss ist nie erfolgt. Stattdessen soll derselbe Kiosk jetzt nochmal "instandgehalten" werden, um den bereits damals mehr als verdoppelten Betrieb zu vervierfachen!
1982 wird das Gebiet zur Schutzgebiet gem. Ramsar-Konvention für Feuchtgebiete ernannt.
Die Erweiterungen des Betriebs am Rohrspitz schreitet dennoch munter fort.

Rohrspitz 1990er
Ein Bild aus den 1990ern zeigt, wie die Anlagen mittlerweile gewachsen sind. Im Hafen haben ca. 130 Boote platz. Westlich des alten Kiosk steht ein erheblich größeres Restaurant.

1984 verweigerte die BH-Bregenz dem Yachtclub Wetterwinkel in Gaißau die Genehmigunge weiterer 3 Bootsplätze mit der aussage, 30 Bootsplätze seien bereits "das Maximum des Verträglichen." (Manche sind gleicher: Der Gaißauer Hafen) Zeitgleich gibt es am Rohrspitz bereits mind. 130 Bootsplätze. Und wenige Jahre später erteilt dieselbe Behörde unter denselben Bedingungen der Salzmann GmbH. die Genehmigung für einen Hafenausbau auf 191 Bootsplätze. Den Aushub darf der Bauwerber trotz Verbot gem. NaturschutzVO §4 (1) b) (siehe oben) beidseitig der Anlage aufschütten, um ein neues Ufer zu formen. 
Rohrspitz 2001
Luftbild von 2001: Mit dem Hafenausbau in den 1990ern hat erneut ein massiver Eingriff in das Ufergelände stattgefunden

Außerdem verlangt der neue Chef der Anlagen, Sohn Günther Salzmann, als "Gegenleistung" für die behördliche Auflage, die Parkplätze zu bewirtschaften, 
dass er die Dauercampinganlage auch im Winter nicht mehr räumen muss. 
1995 wird das Gebiet zum Natura 2000 Gebiet nominiert. 2003 kann sich das Land Vorarlberg auf Drängen von Bund und EU schließlich dazu durchringen, diese Nominierung rechtlich umzusetzen. 
Mit einer weiteren großen Hafenerweiterung 2006 reicht die Anlage nunmehr bereits in öffentliches Gewässer und muss für den Zugang zum Hafen Ost ein Landesgrundstück nutzen. Bei dem Deal wird ein "Umkehrplatz" für das Partyschiff Elisa gebaut, diverse Bootsplätze vergrößert und 3 Plätze aufgelassen. 

Neuer Stand:
- ca. 17.000 m² Camping, mit 171 Campingplätzen, davon 133 Dauercamping 
- ca. 18.000 m² Hafen für 188 Bootsplätze, davon 121 Motorboote, mit einem Ausländeranteil von 30%
- ca. 7.000 m² für 352 Parkplätze; die zur Verkehrseindämmung eingeführten Gebühren werden den Gästen der Salzmann GmbH. rückerstattet.
- 561 gastronomische "Verabreichungsplätze" auf ca. 1.360 m² in zwei Restaurants, von denen das größere seit dem Jahr 2000 verpachtet wird. 
- daneben zahlreiche Wohnungen, mehrere Büros und zahllose "Provisorien" in den Außenanlagen


Zugriff auf Bundes- und Landesflächen:
Nachdem die Salzmann GmbH. die eigenen Flächen ausgereizt hatte, begann man, den Betrieb auf öffentliche Flächen auszudehnen. Der sog. "Umkehrplatz" Elisa (der regelm. widerrechtlich als Anliege- und Verkaufsfläche missbraucht wird) liegt in öffentlichem Gewässer, die östliche Zufahrt zu den Hafenanlagen auf Landesflächen. Zur Erweiterung der Parkflächen im Südwesten der Anlage wurden fremde Privatflächen hinzugepachtet. All dies belastet öffentliche Naturschutzflächen zugunsten einer privaten Nutzung und steht zudem im Widerspruch zum Verbot der Erweiterung von Anlagen im Naturschutzgebiet. 


 Die Salzmann GmbH. hat ihre Flächen ausgereizt. Der Umkehrplatz Elisa und die Hafenzufahrt Ost liegen mittlerweile auf öffentlichem Grund.

Rohrspitz 2009
2015: Die Salzmann GmbH. hat ihre Flächen ausgereizt. Das Dauercamping bleibt auf den gesamten Flächen auch im Winter bestehen. Der Umkehrplatz Elisa, die Hafenzufahrt Ost und der Großteil der Parkplätze liegen mittlerweile auf fremden Grundstücken.

All dies war möglich, obwohl seit 1942 entsprechende Verbote bestehen und - gottseidank - auch für alle anderen gelten. Sonst wäre mittlerweile der gesamte Rohrspitz so verbaut wie die Flächen um die Grundstücke der Familie Salzmann:

- ca. 920 mfür 171 Campingplätze, davon 133 Dauercampingplätze 
 ca. 760 mfür 188 Bootsplätze, davon 121 Motorboote, mit einem (theoretisch) maximalen Ausländeranteil von 30% (faktisch überwiegen längst Schweizer und Liechtensteiner)
- ca. 470  m2 für 352 Parkplätze; die zur Verkehrseindämmung eingeführten Gebühren werden den Gästen der Salzmann GmbH. rückerstattet.
- 561 gastronomische "Verabreichungsplätze" in zwei Restaurants, von denen das größere seit dem Jahr 2000 verpachtet wird. 
- daneben zahlreiche Wohnungen, mehrere Büros und zahllose "Provisorien" in den Außenanlagen